Archive for April 22, 2013

Seed diversity in need of help – Seed for all – seedforall.org

Übertrag aus dem englischen Original

 

Offener Brief

an die Abgeordneten des Europäischen Parlaments

an den Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz

an den Kommissar für Landwirtschaft und Ländliche Entwicklung

an den Kommissar für Umwelt

an den Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Integration

an den Kommissar für Industrie und Unternehmertum

an den Kommissar für Entwicklung

an den Kommissar für Regionalpolitik

 

Revision des Europäischen Saatgutverkehrsrechts

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

Mit diesem Schreiben treten wir an Sie heran, sich im Rahmen der Überarbeitung der Europäischen Saatgutverkehrsrichtlinien für Verbesserungen in Hinblick auf die Umweltfreundlichkeit, die Wünsche der Europäischen VerbraucherInnen und die Bedürfnisse kleiner und lokaler Akteure im Saatgutsektor einzusetzen.

Eine Neuausrichtung des Europäischen Saatgutverkehrsrechts ist dringend erforderlich. Denn die derzeit geltenden Regelungen haben zu einem massiven Verlust an landwirtschaftlicher Vielfalt in den letzten Jahrzehnten geführt. Spezifische Anforderungen landwirtschaftlicher Betriebe, die über die Produktivität von Sorten hinaus gehen, wurden kaum berücksichtigt, und die Sortenvielfalt für den Lebensmittelbereich wurde trotz Nachfrage durch die KonsumentInnen stark eingeschränkt.

In der Überarbeitung des Europäischen Saatgutverkehrsrechts muss dem Schutz und der Förderung der Agro-Biodiversität hohe Priorität zukommen. Der zukünftige Saatgutmarkt sollte den unterschiedlichen Saatgutanwendern eine größere Sorten-Vielfalt zu Verfügung stellen, insbesondere Sorten, die an lokale Bedingungen angepasst sind. Dies würde dazu beitragen, den Verbrauch an Pestiziden, Düngemitteln und Wasser zu reduzieren und die Verschmutzung von Böden und Wasser einzudämmen und wäre damit ein wichtiger Schritt hin zu einer diversifizierten und nachhaltigeren Landwirtschaft – welche ihrerseits eine größere Vielfalt von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen begünstigt.

Die Saatgutrechtsrevision muss Freiräume schaffen für die Erhaltung und Nutzung der Sortenvielfalt on farm. Damit wird auch das Spektrum der verfügbaren Nahrungs- und Futterpflanzen vergrößert und ein positiver Beitrag für die Lebensmittelqualität geleistet – mehr Vielfalt, Farben und Geschmäcker.  

Wie im “Options and Analysis”-Papier der Europäischen Kommission angeführt, besteht eine wachsende Nachfrage nach mehr Sortenvielfalt: “Protection of the environment has become more important and specific markets, such as for organic crops, are increasing their share of the market”. [“Der Schutz der Umwelt wird immer wichtiger und spezifische Märkte, wie jener für biologische Produkte, sind im Wachstum begriffen”; Übersetzung der Verfasser] (1)

Allerdings kontrollieren heute rund zehn multinationale Konzerne bereits 74% des globalen Saatgutmarktes(2), und die Konzentrationsprozesse schreiten weiter voran. Die Saatgutindustrie bringt meist Sorten mit hoher genetischer Uniformität auf den Markt und nicht nachbaufähiges Saatgut dominiert bei vielen landwirtschaftlichen Kulturen. All dies führt nicht nur zu alarmierenden Abhängigkeiten seitens der SaatgutanwenderInnen und VerbraucherInnen, sondern ist auch ökologisch riskant, da eine schmale genetische Basis leichter zu Krankheits- und Schädlingskalamitäten führen kann.

Das neue Europäische Saatgutverkehrsrechts muß seine restriktiven Bestimmungen für den Marktzugang von Sorten und Saatgut lockern, um eine größere Anzahl von Saatgutanbietern zu ermöglichen und die Zahl mittelständischer Saatgutunternehmen zu stabilisieren. Dies würde indirekt auch positive Effekte für Biodiversität und Ländliche Entwicklung erwarten lassen.

Als Organisationen der Zivilgesellschaft vertreten wir Akteure aus den Bereichen Umwelt und Biodiversität ebenso wie aus dem Saatgutsektor, mittelständische und biologische Züchtungsunternehmen, Saatgutanbieter, landwirtschaftliche und gärtnerische Betriebe wie auch private SaatgutanwenderInnen und SortenerhalterInnen, Konsumenteninitiativen und KonsumentInnen.

Wir rufen Sie dazu auf, sich für eine Neuausrichtung des Europäischen Saatgutverkehrsrechts einzusetzen, unter Berücksichtigung von Umweltfragen und KonsumentInnenbedürfnissen.

Diese muss auch die Vermarktung von weniger homogenen, jedoch genetisch breiteren und besser an lokale Bedingungen angepasste Sorten ermöglichen. Hindernisse für die Vermarktung und den Austausch von Saatgut alter und seltener Sorten und bäuerlicher Züchtungen müssen beseitigt werden, als Beitrag zur landwirtschaftlichen Biodiversität in Europa, zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft und zu einer besseren Berücksichtigung der Wünsche europäischer VerbraucherInnen.

Der Schutz der VerbraucherInnen und die Sicherstellung der Pflanzengesundheit sollten durch klare Transparenzregeln und Kennzeichnungsvorgaben gewährleistet werden. Darüber hinausgehende, der Vermarktung vorgelagerte Kontrollen hingegen führen nicht nur zu den beschriebenen negative Effekten auf die Biodiversität, sondern auch zu Überschneidungen mit dem Lebensmittel- und Pflanzenschutzrecht.

Aus allen genannten Gründen muss die Überarbeitung des Europäischen Saatgutverkehrsrechts eine bessere Ausgewogenheit und die Berücksichtigung von Umwelt und VerbraucherInnen-Interessen sicherstellen, Freiräume für Nutzung, Austausch und Verkauf von Saatgut alter, seltener und bäuerlicher Züchtungen schaffen und die Diversifizierung der Landwirtschaft fördern. Gerne stellen wir Ihnen konkrete Vorschläge zu Verfügung, wie diese Ziele erreicht werden können, und würden uns freuen, diese Ideen mit Ihnen in den kommenden Wochen und Monaten zu diskutieren.

(1)   European Commission: Options and analysis of possible scenarios for the review of the European Union legislation on the marketing of seed and plant propagating material” – Point 2.2:  Room to strengthen sustainability issues.

(2)   ETC Group Report “Who will control the Green Economy”, 15 December 2011

 http://www.etcgroup.org/en/node/5296

Mit freundlichen Grüßen,

Der offene Brief wurde erstmals im Mai 2012 übermittelt. Seitdem kommen täglich mehr Unterschriften hinzu.

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